Wunschdenken
🍀Ich wünsche anderen Menschen Glück, Erfolg, Zuversicht, Liebe, Zeit, Glaube, Vertrauen, Gesundheit, weil ich vermute, es würde ihnen fehlen und sie könnten es gut gebrauchen. Oder ist es das, was ich mir selbst wünsche oder mir selber fehlt?
🍀Mache ich ihnen nun ihren Mangel damit sichtbar oder meine eigene Fülle? Ist es lediglich eine Höflichkeit oder in Wahrheit ein Fluch? "Ich wünsche dir, dass du zur Hölle fährst" macht wohl eher sichtbar, selbst in der Hölle zu sein. "Hey, ich wünsche dir das, was ich habe, damit du bekommst, was dir aus meiner Sicht fehlt". Im Grunde anmaßend und überheblich oder doch herzlich ohne Hintergedanken. Also doch nur eine Floskel - nichtssagend, unpersönlich und überflüssig.
🍀Der Wunsch löst sich in alle Richtungen auf, denn alles was ich wünsche zu brauchen oder andere bräuchten, macht immer zwei Seiten deutlich - den Mangel und die Fülle. Und jeder neue Wunsch löst einen neuen Wunsch aus, der dies deutlich macht. Und solange wir uns etwas wünschen wollen, bleiben wir in Wahrheit wunschvoll unglücklich und unzufrieden.
🍀Wir leben in einer Welt dieser Dualität - ohne Unglück kein Glück, ohne Misserfolg kein Erfolg, ohne Krankheit keine Gesundheit, ohne Hoffnungslosigkeit keine Hoffnung, ohne Misstrauen kein Vertrauen. Aber warum dann nichts mehr wünschen, wenn wir erst einmal alles erleben müssen, um zu wissen, was der Wunsch überhaupt bedeutet. Sind nicht alle Erfahrungen wichtig - die positiven sowie die negativ behafteten Wünsche?
🍀Es wird keineswegs als höflich oder als angemessen empfunden, wenn ich jemanden nun Unglück oder gar eine Depression wünsche - aber gehört es zum Glück und zur Zufriedenheit nicht dazu, ist es nicht das gleiche, weil beides einander bedingt und sich letztendlich auflöst?
🍀Wenn ich depressiv bin, kann ich dann dem anderen Zufriedenheit wünschen, damit er mir Glück wünschen kann? Ist der Wunsch nun das, was mir fehlt oder was ich selbst habe? Und hier wird vielleicht jedem klar, was ein ausgesprochener Wunsch in Wahrheit ist - unnötig, weil jeder seine eigene Sicht, seine eigene Wahrnehmung und Erfahrung, seine jetzige Situation und sein eigenes Urteil darüber hat und haben kann.
🍀Macht es nicht Sinn den Gedanken an einen Wunsch loszulassen, nichts mehr wünschen zu wollen, weil all das zu mir kommt, was sowieso zu mir kommen soll? Dem Leben ohne Wunsch und Begierde einfach vertrauen und wunschlos glücklich und traurig zu sein ist eine Haltung aus dem Selbst heraus.
🍀Woher weiß ich überhaupt, was der andere braucht und sich wünscht? Ich drücke ihm ein Wunsch auf obwohl ich nichts darüber weiß. Weiß ich überhaupt selbst, was ich mir wahrhaftig wünsche?
🍀Was mir selber bei meiner Wunschparade an dich auffiel war, dass es mir schwer fiel, nur floskelartige Wünsche zu senden. Also überlegte ich mir, was zu wem passen würde, was der oder diejenige vielleicht gerade an aufmunternden Worten benötigt, was ihm oder ihr aus meiner Wahrnehmung her fehlt, aber auch was mir an dem Menschen gefällt mit dem Wunsch, er möge mich und sich damit weiter beglücken, aber ohne Erwartungen daran, er oder sie möge es auch bitteschön erfüllen.
🍀Bei dieser ganzen Überlegung denke ich, meine Worte sagten eher aus "Ich denke an dich, ich schätze dich, ich möchte dir das heute sagen" und nicht nur heute, auch wenn es viele meinen, tun zu müssen. Und der Wunsch selber war völlig überflüssig, denn er wollte ausdrücken - ich sehe dich. Vielleicht ist es sogar der eigene Wunsch, gesehen und wertgeschätzt zu werden und vielleicht ist es der Wunsch, mich selber immer wieder in meinen Worten und Wünschen zu erkennen.
🍀Gar nichts mehr wünschen zu müssen, klingt doch richtig glücklich und zufrieden oder!? Und warum sagen wir dem anderen nicht klar und deutlich, was uns gerade bewegt, wo wir Unterstützung benötigen, unser Bedürfnis nach etwas mitteilen ohne uns hinter einem Wunsch zu verstecken. Es könnten auch Worte des Dankes sein, der gemeinsamen Erlebnisse und Freude, Worte der Wertschätzung für die Unterstützung oder der Freundschaft, gemeinsamen Vertrauens, der Freude auf neue Erlebnisse und Begegnungen mit ihnen.
🍀Ich wünsche mir, das du dich in meinen Worten erkennst und doch erwarte ich nicht, das du meinen Wunsch erfüllst. Und weißt du was - alles dient meiner eigenen Erkenntnis, irgendwann tatsächlich nichts mehr zu wünschen, weil alles gut ist, so wie es ist.
Herzliche Grüße von Claudia 💚